Biologisierung und Sozialisierung einer gesundheitlichen Devianz am Beispiel von Frühgeburten.
Sprache des Vortragstitels:
Deutsch
Original Tagungtitel:
Kongress der Deutschen Gesellschaft für Soziologie in Bamberg
Sprache des Tagungstitel:
Deutsch
Original Kurzfassung:
Trotz großer Fortschritte der medizinischen Technologie gilt Frühgeburt weiterhin als Risikofaktor für die kognitive, motorische und soziale Entwicklung ? und deshalb, so ergänzen wir, auch für späteren Bildungserfolg. Nun schweigt die bildungssoziologische Ungleichheitsforschung bislang zu Frühgeburten, und die einschlägigen Studien aus Psychologie, Biologie und Medizin sind methodisch recht disparat und betrachten vielfach sehr spezifische Aspekte.
Dieser Beitrag liefert Ergebnisse einer systematischen Zusammenstellung a. der biologischen Besonderheiten, die Medizin und Psychologie als Komponenten des ?Entwicklungsrisikos? Frühgeburt diagnostizieren, b. der sozialen Gegebenheiten, die Frühgeburt zum Entwicklungsrisiko machen, im Vergleich mit bildungssoziologisch bekannten Faktoren von Bildungsbenachteiligung und -erfolg, und c. aktueller Daten sowohl zur kognitiv-motorisch-sozialen Entwicklung als auch zu Bildungskarrieren Frühgeborener.
An Hand dieses Materials werden Zwischenergebnisse zu zwei Fragenkomplexen präsentiert:
? Wie grenzen die Akteure im Feld (Eltern, Ärzte, Lehrkräfte, Schulpsycholog/innen) biologisch-genetische und soziale Faktoren der Frühgeburt voneinander ab? Wie werden dabei soziale Faktoren naturalisiert und unkenntlich gemacht? Wie werden anders herum biologische Anlagen sozialisiert (und womöglich fälschlich persönlicher Verantwortung zugeschrieben)?
? Welche Faktoren bedingen 1. die kognitive, motorische und soziale Entwicklung Frühgeborener und 2. ihre Bildungskarriere? Welche dieser Faktoren sind spezifisch auf die biologische Tatsache der frühen Geburt zurückzuführen, folglich bei Reifgeborenen nicht wirksam und sozial tatsächlich nicht beeinflussbar?
Impulse für die Abschlussdiskussion werden in Form methodischer Faustregeln formuliert, die unsere Erfahrungen bei der Arbeit mit medizinischen, bio(psycho)logischen und soziologischen Konzeptualisierungen zusammenfassen.