3. Jahrestagung des ICAE: Demokratie! Welche Demokratie? Postdemokratie kritisch hinterfragt
Sprache des Titels:
Deutsch
Original Kurzfassung:
Kurz vor seinem Tod im vergangenen Jahr mahnte der britische Zeithistoriker Tony Judt: ?Wir sind zwar heute alle Demokraten?, aber: ?Die demokratischen Institutionen sind degeneriert, vor allem durch die Macht des Geldes, und die Sprache der Politiker ist hohl und nichtssagend.? (Judt, Dem Land geht es schlecht, München 2011, S. 116, S. 132) Seit Jahren steigt das Unbehagen an der real existierenden Demokratie. Sie wird zwar ideologisch und kriegerisch rund um den Globus exportiert, beschränkt sich aber in den Kernländern auf die turnusmäßige Wahlentscheidung zwischen Parteien, die sich zum Verwechseln ähneln. Colin Crouch (Postdemokratie, Frankfurt, 2008) hat für diesen Befund den Begriff ?Postdemokratie? geschaffen: Demokratie heute sei nur noch eine Hülle dessen, was Demokratie einst ausgemacht hat. Laut Crouch dominieren Experten und Pressure Groups die politischen Prozesse und demokratischen Institutionen. Das lasse sich in den Feldern Politik, Wissenschaft und Medien auf vielfältige Weise zeigen. Das Ergebnis sei immer das Gleiche: Über allem stehe die Macht der Wirtschaftseliten.
Wahlen gelten im Konzept der Postdemokratie allenfalls als ein Feedback, das aber keine bindende Wirkung auf die Entscheidungsträger hat. Das Volk, in dessen Namen formal Recht gesprochen wird, bleibt politisch passiv ? nur noch zustimmend oder ablehnend. Besitzende und Pressure Groups dominieren politische Entscheidungen, alle anderen werden durch hohe Hürden von politischer Partizipation ferngehalten. Entscheidend ist der wirtschaftliche Erfolg: Postdemokratie ist mit der neoliberalen Transformation der Politik (seit den 80er Jahren) verbunden. ?Der Markt? wird in dieser Perspektive als absoluter Wert über die Demokratie gestellt, ? oder es wird von neoliberaler Seite behauptet, Demokratie und Markt seien identisch.