Julia Schuster, Doris Weichselbaumer,
"?Seine Firma, seine Regeln?: Wie Fraueninteressen in einem Online-Forum zur Legitimierung von Arbeitsmarktdiskriminierung von Kopftuchträgerinnen instrumentalisiert werden"
, in Ingrid Moritz, Birgit Sauer, Asiye Sel: Körperbilder, Körpersymbole und Bekleidungsvorschriften. Zur Repräsentation von Frauen in Werbung, Medien und Sport, ÖGB Verlag, Wien, Seite(n) 201-215, 2020, ISBN: 978-3-99046-380-2
Original Titel:
?Seine Firma, seine Regeln?: Wie Fraueninteressen in einem Online-Forum zur Legitimierung von Arbeitsmarktdiskriminierung von Kopftuchträgerinnen instrumentalisiert werden
Sprache des Titels:
Deutsch
Original Buchtitel:
Körperbilder, Körpersymbole und Bekleidungsvorschriften. Zur Repräsentation von Frauen in Werbung, Medien und Sport
Original Kurzfassung:
Muslimische Frauen, die ein Kopftuch tragen, finden sich auf westeuropäischen Arbeitsmärkten in einem Spannungsfeld des gesellschaftlichen Diskurses über sie wieder. Darin treffen neoliberale Arbeitsmarktlogiken, in denen die Autonomie der Arbeitgeber_innen bezüglich ihrer Mitarbeiter_innenwahl affirmiert wird, auf Debatten über die Selbstbestimmung von Frauen. Weichselbaumers (2016) Studie, die Diskriminierung von kopftuchtragenden Stellenbewerberinnen am deutschen Arbeitsmarkt nachwies, zog auch in Österreich viel Medienaufmerksamkeit auf sich und bewirkte in Folge zahlreiche Diskussionen in online Foren, in denen sich der gesellschaftliche Diskurs über ?das Kopftuch? widerspiegelt. Basierend auf einer Inhaltsanalyse rund 600 solcher online Kommentare zu einem Artikel über Weichselbaumers Studie auf derstandard.at, lassen sich Argumentationslinien nachzeichnen und Ambivalenzen darin identifizieren. Kopftuchtragende Frauen werden doppelt mit der Abwertung von Frauen in Verbindung gesetzt, wobei sie gleichzeitig als Opfer von als auch als Verantwortliche für Unterdrückung wahrgenommen werden: Einerseits wird das Kopftuch als Symbol ihrer Unterdrückung durch patriarchale Strukturen des Islams interpretiert, andererseits wird kopftuchtragenden Frauen unterstellt, sie signalisieren anderen Frauen, die kein Kopftuch tragen, ihre moralische Überlegenheit. Beide Blickwinkel werden zur Legitimierung des Arbeitsmarktausschlusses von Kopftuchträgerinnen herangezogen. Es wird argumentiert, dass österreichische Arbeitgeber_innen Symbole der Frauenunterdrückung in ihren Unternehmen nicht genehmigen und Mitarbeiterinnen ohne Kopftuch vor der moralischen Missbilligung von Kopftuchträgerinnen bewahren sollen. Die Entscheidung darüber, wie mit der (unterstellten) Unterdrückung von Frauen umgegangen werden soll, wird somit in die Verantwortung der Arbeitgeber_innen gelegt. Folglich gilt die Autonomie von Arbeitgeber_innen nicht mehr nur aus wirtschaftlichen, sondern auch aus emanzipatorischen Gründen als schützenswert. In unserem Beitrag zeigen wir anhand der analysierten Kommentare, wie die darin angewandte neoliberale Logik trotz ambivalenter Argumente die Wahrung von Fraueninteressen für die Legitimierung von Arbeitsmarktdiskriminierung von kopftuchtragenden Frauen instrumentalisiert.